Dauerregen lässt den Fluss anschwellen
Lipperegion. Von „Hochwasser“ ist offiziell bisher nicht die Rede, doch sind die Pegelstände der Lippe und zahlreicher Nebenläufe über das Wochenende stark gestiegen. Während die Abflüsse in den kleineren Gewässern in der Nacht auf Sonntag ihren Höhepunkt erreicht haben und danach meist schon wieder gefallen sind, „kratzt“ die Lippe in Haltern und Dorsten an der Hochwassermarke, auch in Lünen und Wesel sind die Wasserstände hoch.
Die Niederschläge allein von Samstag, dem 30. Januar, sind beeindruckend: 16,5 Liter pro Quadratmeter in Dorsten (Regenschreiber Kläranlage Dorsten), 18,7 Liter in Datteln (Schleuse), 20 Liter in Reken (Bahnhof) und 23 Kubikmeter in Hamm (Kläranlage Mattenbecke).
Die Abflüsse in der Lippe, die daraus resultieren, lassen die Lippe stark anschwellen: In Wesel-Fusternberg kurz vor der Mündung in den Rhein ist der Scheitel der Welle noch nicht angekommen, so dass der Anstieg von ca. 3,00 m am Donnerstag (28. 1.) auf 4,10 m heute Morgen eher moderat ausfällt. In Dorsten dagegen ist der Pegel im gleichen Zeitraum von 5,30 m auf 7,50 m schnell gestiegen und liegt jetzt nicht mehr weit von der Hochwassermarke bei 8,00 m entfernt. Ähnlich in Haltern am See, wo sich der Lippepegel seit Donnerstag (2,10 m) rund verdoppelt hat. Ein Spitzenwert von 4,70 m wurde in der Nacht zu heute verzeichnet, seitdem ist der Wasserstand wieder leicht gefallen. Hier liegt die Hochwassermarke bei 5,00 Metern.
Einen großen Anteil daran hat die Stever, die über den Stausee in die Lippe mündet. Dort lag der Pegel am Donnerstag bei 1,50 m, letzte Nacht kletterte er bis auf 4,20 m. Diesem Wasserstand entspricht ein Spitzenabfluss von 60.000 Litern pro Sekunde aus der Stever, der das Wasser in der Lippe auf rund 160.000 Liter in der Sekunde anschwellen ließ. Am Lippe-Pegel Rauschenburg zwischen Olfen und Datteln ist der Wasserstand von 2,80 m am Donnerstag auf rund 4,30 m geklettert.
In Dorsten „beteiligt“ sich der Hammbach rege am Abflussgeschehen. Noch am Samstag früh lag der Wasserstand dort bei 80 cm, um dann innerhalb weniger Stunden auf 1,60 m hochzuschießen, so dass die Hochwassermaschinen im Lippeverbands-Pumpwerk Dorsten-Hammbach zum ersten Mal im neuen Jahr gut zu tun hatten. Eher „wellenförmig“ schaukelten sich die Wasserstände im Rapphofs Mühlenbach bei Dorsten von einem mittleren Wasserstand bei 1,00 m seit der Wochenmitte hoch und erreichten am Samstagabend eine vorläufige Spitze von 1,60 m.
Der Dattelner Mühlenbach erreichte am Pegel Wiesenstraße (Datteln) am Samstag einen Spitzenwert von ca. 150 m. Auch hier kam das Wasser in mehreren Wellen, die sich von anfangs 50 cm immer weiter hochschaukelten. Dies spiegelt sich auch in den Wasserständen im Hochwasserrückhaltebecken des Lippeverbandes wieder, das einen großen Teil der Wassermassen zurückgehalten hat.
An der mittleren Lippe in Lünen ist der Fluss von Mittelwasser (2,70 m Donnerstag) auf über 4,00 m angeschwollen. Noch markanter entwickelten sich der Wasserstand in der Seseke, der am Pegel Lünen-Preußenstraße im selben Zeitraum von rund 1,20 m auf einen Spitzenwert von knapp über 3,00 m in der Nacht zu Sonntag gestiegen war. In Kamen (Ostenallee) stiegen die Wasserstände parallel, jedoch war der Ausschlag nach oben nicht so stark: Auf 95 cm folgten in der Spitze 2,15 m. Wesentlicher Faktor dabei war das Hochwasserrückehaltebecken des Lippeverbandes in Bönen, das seit Samstag große Wassermengen einstaut und so zur „Seenplatte“ geworden ist. Auch die Körne, die bei Kamen in die Seseke mündet, hat viel Wasser mitgebracht: Das Hochwasserrückhaltebecken Dortmund-Scharnhorst des Lippeverbandes ist zum Teil eingestaut, so dass die „Wellen“ in der Körne (vor einer Woche 70 cm) gedämpft wurden. Dennoch wurden Spitzenwasserstände von 1,20 m (Donnerstag), 1,85 m (Samstag) und 1,60 m (Sonntag) erreicht, die Tendenz ist wie in der Seseke jetzt wieder fallend.
In Hamm veränderten sich die Wasserstände der Lippe nur geringfügig und schwankten am Pegel Mattenbecke zwischen 3,50 und 3,70 m. In Lippborg, am östlichsten Pegel des Lippeverbandes, ging die Lippe von 2,70 m am Donnerstag auf 3,70 m heute Morgen hoch. Hier deutet sich ein weiterer Anstieg an. In Kesseler an der oberen Lippe lag der Pegel am Donnerstag bei 1,90 m, seit Samstagnacht ist hier die 3-Meter-Marke erreicht.
Aufgrund der Gesamtsituation hat der Lippeverband bisher darauf verzichtet, seine Bauhöfe an der Lippe in Dorsten, Haltern, Lünen und Hamm förmlich in Hochwasserbereitschaft zu versetzen. Dennoch halten die Mitarbeiter vor Ort die Augen auf: Kritische Punkte wie Rechen und Einläufe werden kontrolliert, ebenso der Zustand der Deiche. Ein internes „Hochwasserinformationssystem“ zeigt nicht nur die Entwicklung von Niederschlägen, Abflüssen und Wasserständen an, sondern berechnet über ein Niederschlag-Abfluss-Modell auch Hochwasserprognosen.
Ob aus den hohen Wasserständen noch richtiges Hochwasser wird, hängt von den Niederschlägen der nächsten Tage ab. Regen ist überall angesagt, doch entscheidend sind die Mengen. Doch auch wenn die Niederschläge an der unteren Grenze bleiben, wird die Lippe mindestens in dieser Woche noch hoch stehen. Bis die Wasserabflüsse aus dem ausgedehnten Lippegebiet (Einzugsgebiet 4.890 Quadratkilometer) die Mündung in den Rhein erreichen, vergehen regelmäßig mehrere Tage.